Zucht und Selektion

Zucht und Selektion:

 

Definition: Der gezielte Eingriff in das Erbgut, der das Ziel verfolgt, vom Menschen gewünschte Eigenschaften zu verstärken. Hierbei zählen nicht nur Verhaltensweisen, sondern auch die äussere Erscheinungsform.

Die sogenannte “Reinzucht“ wird u.a. durch Inzestvermehrung realisiert. Den Bienen wird dabei entweder jegliches Recht auf eine natürliche Vermehrung abgesprochen oder eng miteinander verwandte "Geschwistervölker" werden auf einen Stand gestellt, sodass nur diese sich miteinander verpaaren. Bienen, die nicht dem ästhetischen Erscheinungsbild entsprechen oder nicht die vom Menschen gewünschten Verhaltenskriterien erfüllen, werden entweiselt (die Königin dieser Völker wird totgequetscht). Dann wird eine neue Königin eingesetzt (Einweiseln), deren Nachkommen den Anforderungen der Züchter besser entsprechen. Hier wird von lebenswerten und lebensunwerten "Bienenmaterial" gesprochen. Die Bienen müssen einen komplexen Kriterienkatalog erfüllen, ihnen wird dabei eine Art "Zeugnis" ausgestellt. 

Beim durchlesen der Zuchtkriterien des Deutschen Imkerbundes wird das Ausmass, der manipulativen Eingriffe an der 45 Millionen Jahre alten, systemrelevanten Spezies der Honigbienen, besonders deutlich.

Die Öffentlichkeit hat diese Praktiken bislang weder wahrgenommen noch reflektiert. Der Imker hat (immer noch) das blütenweisse Image vom Naturfreund, Bienenschützer und Umweltschützer.

Mit der Realität, hat dieses Image in der Regel jedoch nichts zu tun. So werden in Imkerschulen die Neulinge gleich an das vermeintlich notwendige Handwerk herangeführt. Beispielhaft hierfür ist eine aktuelle Diskussion in der Facebook Gruppe "Imkerneulinge".

Screenshots aus der Facebookgruppe Imkerneulinge - Thema: Wie tötet man "würdevoll" eine Bienenkönigin

 

Einige gängige Praktiken in der Imkerei

 

  • Flügelspitzen der Königinnen abschneiden, damit sie nicht schwärmen können.
  • Königinnen zerqutetschen, wenn sie nicht dem "Anforderungskatalog" entsprechen oder ihre Legeleistung nachlässt.
  • Weiselzellen (neu gebildete Koniginnenzellen, mit Koniginnenlarven) aus den Waben kneifen und zerquetschen, damit das Volk nicht schwärmt (Verhinderung des natürlichen Fortpflanzungsprozesses, bei welchem der grösste Teil der Varroamilben auf natürliche Weise abgetragen wird).
  • Drohnenbrut herausschneiden (männliche Bienen / Larven sterben zu Tausenden über mehrere Tage hinweg in ihren verdeckelten, aus dem Volk entfernten Waben oder werden in den Wachsschmelzer gelegt, wo sie nach langsam ansteigender Temperatur schliesslich einen Hitzetod sterben). Die leeren, oft mit Larveninnereien besudelten Leerrahmen, werden zur Reinigung und Neubesiedelung wieder zurück ins Bienenvolk gegeben.
  • Raumerweiterungen: Bienenvölker werden unnatürlich gross gezüchtet, zu Gunsten des Ertrags. Zeitgleich wird eine letale Varroamilbenpopulation herangezüchtet, welche dann i.d.R. mit Chemikalien bekämpft- aber zeitgleich auch die Bienen erheblich geschädigt werden.
  • Kistenhaltung: Bienen werden in nicht argerechten Kisten gehalten, mit sigifikanten Auswirkungen auf ihre Gesundheit und Biologie

 

Die moderne Imkerei erfüllt die wesentlichen Kriterien der (tierquälerischen) Massentierhaltung, mit allen negativen Auswirkungen auf die Bienengesundheit und die Überlebensfähigkeit der gesamten Spezies. Biologisches Basiswissen über Fortpflanzung, natürliche Selektion und Evolution scheinen in grossen Teilen der Imkerschaft aber auch einigen sogenannten "Bienenexperten" komplett abhanden gekommen zu sein. Dieses ist schwer nachvollziehbar, da alle auch wissenschaftlichen Versuche gezeigt haben, dass Bienen ohne jegliche menschliche Eingriffe durchaus überlebensfähig sind (z.B. Gotlandprojekt). Aussagen wie: "Ohne den Imker würde es die Bienen in kürzester Zeit nicht mehr geben" entbehren jeglicher, sachlicher, wissenschaftlicher Erkenntnisse und sind genauso weit von der Realität entfernt, wie die moderne Imkerei von einer artgerechten Tierhaltung. Natürlich sterben bei der natürlichen Selektion Völker aber genau das ist das uralte Grundprinzip für Anpassung und Evolution, - ohne Selektion gibt es auch keine Evolution. Das sterben eines Volkes, welches im Sinne von Darwin (survival of the fittest) nicht die überlebenswichtigen Eingenschaften aufweist, ist ein Gewinn für die gesamte Art, da das nicht überlebensfähige Erbgut aus dem Genpool verschwindet. Das Sterben von Völkern ist also ein ganz normaler, natürlicher und überaus wichtiger Prozess. Dieses steht mit den Praktiken der modernen Imkerei im direkten Widerspruch, da hier alle Völker anhand von Chemikalien am Leben erhalten werden. Der Mensch entscheidet, welche Eigenschaften ein Bienenvolk haben darf und soll und er hilft jenen, die sich nicht selbst helfen können. Hier wird die natürliche Selektion letztendlich ausgehebelt. 

Keine Spezies wurde im Sinne der Nachhaltigkeit durch gezielte menschliche Zucht und Selektion "besser", sondern das Gegenteil ist der Fall. Verzüchtete Tiere (sog. Reinzucht) haben regelhaft eines gemeinsam, sie sind nicht mehr ohne die Hilfe des Menschen überlebensfähig. Wir haben Ihnen ihre Überlebensfähigkeit, zugunsten zu den von uns Menschen gewünschten Eigenschaften weggezüchtet. Dennoch scheinen wir nicht verstanden zu haben, dass jedes Verhalten, welches wir aus den Bienen herauszüchten, auch etwas kostet. Der Anforderungskatalog in der Bienenzucht ist in bemerkenswerter Weise an den Bedürfnissen des Menschen orientiert. Jedes in der Imkerei gewünschte und an die Bienen gestellte Kriterium, schadet der gesamten Spezies und minimiert ihre, vom Menschen unabhängige Überlebensfähigkeit.

 

Die Bienen sollen:

 

  • Sanftmütig sein: Sie sollen den Imker nicht stechen, auch wenn dieser buchstäblich den ganzen Stock auseinandernimmt, Waben herausschneidet, Vorrat klaut, Bienen zerquetscht, Königinnenzellen abquetscht etc..
  • Schwarmträge sein: Sie sollen möglichst nicht schwärmen (die Grundlage der bienischen Fortpflanzung, sowie der wohl wichtigste Faktor für die natürliche Varroamilbenreduktion wird unterdrückt oder abgezüchtet).
  • Honigleistung: Bienen sollen einen grossen Überschuss an Honig produzieren, den sie selbst gar nicht brauchen. Dieses ist nur mit dem Einsatz von etlichen Millionen Arbeitsstunden pro Volk zu bewerkstelligen, - Stunden, die den Bienen letztendlich für natürliche und über lebensnotwendige Verhaltensweisen abhanden kommen (siehe Arbeitskapazitätsmodell - Schiffer).
  • Volksstärke und Frühjahrsentwicklung: Bienen sollen im Frühjahr möglichst grosse Brutfelder anlegen, viele Nachkommen erzeugen, damit der gewünschte Überschuss an Honig für den Imker eingetragen werden kann. In diesen brutreichen Völkern, vermehren sich ebenfalls die Varroamilben in entsprechender Anzahl. Völker die dieses Kriterium nicht erfüllen, werden umgeweiselt (Töten und ersetzen der Königin).

Tragischerweise umfasst die konventionelle, imkerliche Ausbildung diesen Kriterienkatalog und die damit verbundenen manipulativen Eingriffe. Dennoch begreifen sich viele Imker als Natur- und Bienenschützer.

Hier benötigen wir unbedingt mehr Aufklärung und Ehrlichkeit! Vor allem aber auch ein Mitspracherecht für die Öffentlichkeit, da sich das Eingreifen und Verzüchten der Honigbienen, welche eine systemrelevante Schlüsselart darstellen, zukünftig auf uns alle auswirken wird. Die Honigbienen haben sich in Koevolution mit den höher entwickelten Blütenpflanzen und in einem Zeitraum von 45 Millionen Jahren entwickelt. Aufgrund ihrer Blütenstetigkeit kommt ihnen eine Schlüsselrolle zur Aufrechterhaltung des Ökosystems, in dem wir leben und von welchem wir leben, zu. Die Bienen tragen quasi einen Grossteil des Ökosystems auf ihren Flügeln.

Wie kann es sein, dass jeder in das Erbgut der Honigbienen eingreifen darf, um sie nach seinen individuellen Vorstellungen zu formen. Einzig und allein die niederen Beweggründe der maximalen und "entspannten" Ausbeutung dieser in seiner ökologischen Wichtigkeit an der Spitze stehenden Schlüsselart, treiben die menschliche Zucht und Selektion voran. Dabei kann kein Bienenforschungsinstitut, kein Reinzuchtverein und keine Organisation für sich beanspruchen, die Gesamtheit aller überlebenswichtigen Eingenschaften zu (er)kennen und überlebensfähiges Erbgut durch gezielte Zucht und Selektion erschaffen zu können. Die Zusammensetzung der natürlichen Verhaltensweisen, welche die Überlebensfähigkeit eines wildlebenden Bienenvolks ausmachen sind komplex und wenig erforscht. Seit nunmehr 40 Jahren wird in einigen Bienenforschungsinstituten daran gearbeitet, durch gezielte genetische Veränderungen, varroaresistente Bienenvölker zu erzeugen. Was die Forschung in den letzten vier Jahrzehnten nicht geschafft hat, erledigte die Natur innerhalb kürzester Zeit nebenbei. Die besten Beweise sind die im Monitoring befindlichen, mehrjährigen, überlebenden Wildvölker in unseren Wäldern aber auch Hauswänden, sowie alle bekannten "live and let die" Verfahren.

Als die überwiegende Anzahl der Honigbienenvölker noch unter natürlichen Bedingungen in unseren Wäldern lebte, stellte die menschliche Zucht und Selektion keine systemrelevante Gefahr dar. Heutzutage haben sich die Verhältnisse jedoch umgekehrt. Der überwiegende Anteil der Genetik liegt jetzt in den Händen einer Imkerschaft, welche massgeblich ökonomische Ziele verfolgt und von den Naturerfordernissen des Biens schlichtweg keine Ahnung mehr zu haben scheint. Letzteres stellte Johann Thür, in seinem Artikel über die "Nestduftwärmebindung", bereits im Jahr 1946 fest.

Die gezielte Zucht und Selektion der Honigbienen, zu von Menschen gewünschten Eigenschaften, bedroht also nicht nur die Spezies selbst, sondern stellt langfristig eine nicht zu unterschätzende Gefahr, für das gesamte Ökosystem in welchem wir leben und von dem wir ein Teil sind, dar und erfüllt somit den Tatbestand des Ökozids. Denn nur die Natur und die natürliche Auslese selbst, können an die jeweilige Situation angepasstes und überlebensfähiges Erbgut erzeugen. Daher ist es wichtig, den Bienen zunächst einmal ein artgerechtes Habitat zu geben und sie dann der natürlichen Selektion zu überlassen.

 

"In Erinnerung an Polly Higgins"